ZURÜCK Ein Resümee des 1.Teils unserer Alpendurchquerung

Wir haben es gemacht! Erst davon geträumt, dann uns vorgenommen, lange geplant, jetzt gestartet! Wir sind in den ersten Teil unserer Alpendurchquerung – unwissend, ob es tatsächlich klappen würde – in uns unbekannte Bergregionen eingestiegen. Jetzt sind wir wieder hier, alles ist gut, im Wesentlichen ist es sehr gut gelaufen. Und wir haben es beide nicht gemacht im Sinne von hinter uns gebracht – es hat viele neue Eindrücke über die Gegenden, Berge gebracht, interessante Menschen, die wir getroffen haben und uns auch Erkenntnisse über uns selbst geliefert: es hat einfach Freude gemacht!  Und wir waren noch nicht am Ende, gerne wären wir auch gleich noch ein bisschen weitergelaufen!

538,3 Kilometer, dabei 38180 Meter hoch und 34285 Meter runter – manche mögen sich das nicht vorstellen können, aber bei uns setzt das Glücksgefühle frei! Befürchtungen zu Beginn, ob wir altersbedingt noch ausreichend regenerieren können, haben sich – sicher auch dank guter Vorbereitung – aufgelöst. Je länger wir unterwegs waren, desto besser sind wir gegangen, ist es gegangen. Wir sind dabei ein bisschen dünner geworden – aber das hat uns bloß geholfen, leichter die Berge hoch zu kommen. Bei allem hatten wir natürlich auch objektiv einfach gute Bedingungen: die Bilder zeigen es vermutlich, wir hatten meistens Traumwetter. Zweimal sind wir in ein Gewitter mit Hagel reingekommen, einmal mussten wir da durch, einmal konnten wir uns unterstellen. Gelegentlich war es oben ziemlich kalt und windig – die richtigen Kälteklamotten mussten wir jedoch fast nie auspacken. Die Wegstrecken waren in Bezug auf die Schlechtwetterwahrscheinlichkeit und die Streckenlänge immer relativ kalkulierbar. Ungünstig war ein Magen-Darm Virus, der uns beide nacheinander um Bozen herum erwischte, das kostete uns zwei Wandertage. Diese Strecken (ungefähr 45 Kilometer) mußten wir mit dem ÖPNV oder durch Trampen wieder „einholen“. Außerdem wurde zum Schluß noch eine Erkältung lästig, die wir als Souvenir auch mit nach Hause brachten. Aber das gehört bei fast 40 Wandertagen vermutlich mit dazu.

Drei Wochen unserer Reise waren von uns geführte Touren, etwas, was wir in dieser Länge auch noch nicht gemacht haben. Zunächst mal: alle unsere TeilnehmerInnen sind sehr gut gegangen, haben sich dabei auf teils lange Etappen und viele Höhenmeter eingelassen. Haben dabei für sie selbst auch teilweise wandertechnisch Neuland betreten. Oft waren wir auch in schwierigem, ausgesetzten oder fast weglosem Gelände unterwegs. Chapeau und vielen Dank für Euren Teamgeist: Gerlinde, Ralf, Susanne, Heidi, Susanne, Theresa, Johannes, Alexander, Ute, Beate, Jürgen, Ralf, Jürgen, Leo, Albrecht, es hat Spaß gemacht mit Euch! Ob wir jedoch bei den nächsten Stücken wieder mit so langen durchgehend geführten Strecken planen, darüber müssen wir uns noch klar werden. Gut wäre für uns zwischendrin Pausen zu haben, die auch wieder den Fokus von der Gruppe weg hin aufs Außenrum zulassen. Mal sehen! Speziell daran ist auch, dass wir in manchen Gebieten (Dolomiten, Karnischer Höhenweg, rund um den Triglav) bereits 8 – 10 Monate im voraus für bis zu 10 Personen die Hütten planen, buchen, anzahlen, evtl. später stornieren mussten. Oft gab es die Option von Hütten auch gar nicht mehr weil sie schon im Dezember für den Juli ausgebucht waren. Hier sind wir dann mit unseren großen Gruppen notgedrungen in doch eher Hotels gelandet, der CO2 Abdruck lässt leider grüßen! Sicher wird das in den Westalpen etwas einfacher.

Jetzt unter den Berggegenden zu wählen, fällt schwer. Alles hatte einen speziellen Reiz. Die Besonderheit der Karstgebiete und türkisfarbenen Flüsse im Osten, der eher grüne und blumenreiche Karnische Höhenweg, die Steilwände der Dolomiten, das einsamere Val di Non und die zahlreichen vergletscherten Gipfel der Ortlergruppe – wir möchten nichts davon ausgelassen haben. Der ständige Wechsel durch alle Wachstumszonen, also farblich von den verschiedenen „Grünschattierungen“ über Braun und Grau nach Weiß, verbunden mit einigen knallfarbenen Punkten, das führt sowieso andauernd wieder zu einer vielleicht nötigen Veränderung, wenn einem gerade etwas fehlt. Auch die Almen und Kulturlandschaften dazwischen, die Orte – alles war wichtig mitzukriegen und interessant.

Die beiden großen Stränge, auf die wir uns hier zusätzlich zu den Bergen eingelassen haben, war sicherlich entlang der gesamten Strecke („Friedensweg“) fast zwangsläufig der 1. Weltkrieg, in Slowenien und in Südtirol auch der 2. Weltkrieg. Als zweites Thema natürlich die zunehmende Klimakrise und deren potenzierte Auswirkungen auf die Bergregionen, zusätzlich erschwert durch die allgemeine Veränderung der Alpen infolge von Übernutzung und Ausbeutung.

Zum ersten Teil haben wir versucht die Inputs zu geben, die vielleicht bei Interessierten den Wunsch auslöst, mehr zu wissen. Gerade in einer Zeit, in der Krieg wieder in unmittelbarer Nähe stattfindet, ist es notwendig sich damit zu beschäftigen. Weg war er ja nie, auch wenn wir hier beschaulich und davon direkt unbehelligt groß geworden sind. Bei einem Vergleich der damaligen mit den heutigen Konflikten landen wir wieder bei demselben ungesunden Nationalismus und kleinen Männern, die schwungvoll auf langen Korridoren durch zu große Türen gehen.

Leider finden sich immer wieder Dumme, die es ebenso nötig haben. Hier hilft nur demokratische Eingrenzung dieser Minderheiten durch mehr Aktivität und Beteiligung der Mehrheiten. Denn wir sind fest überzeugt, die allermeisten Menschen aller Länder und Religionen etc. wollen keinen Krieg. Und sehen bei Krieg mittlerweile keine „Tüchtigkeit“, sondern nur menschliches Versagen.

Die Auswirkungen der Klimakrise haben wir fast in jedem Gebiet sehen können. Gleich hinter Kamnik verlor sich der Weg in einem Erdrutsch in einem steilen Bachbett. Fast aussichtslos für das Grüppchen Ehrenamtlicher des Slowenischen AV, das alles wiederherzustellen – vor dem nächsten Regen! Zwei Tage später berichtete Hüttenwart Iztok von der Kamniška koča einerseits von der Unmöglichkeit, die Hütte nach schweren Regenfällen überhaupt zu erreichen bzw. in Betrieb zu nehmen, andererseits von der jetzigen Wasserknappheit, die ihn bald zum weiteren Rationieren der Klospülung zwingen wird. Ein ähnliches Problem hatte die neue Hüttenwirtin der Berglhütte: die lange andauernde Sperrung des Weges oberhalb der Hütte ohne schnelle Behebung ist für sie (und die Hütte!) direkt existenzbedrohend. Der Wirt der Tibethütte auf dem StilfserJoch meinte, der (schöne, ausgesetzte und viele Höhenmeter sparende) Dreiferner Weg von der Berglhütte aus werde wohl in dieser Form aufgegeben. Er plädiere als Lösung für den Bau einer Hängebrücke. Bei der zunehmenden Vielzahl von Sperrungen wird sicherlich über den weiteren Umgang damit diskutiert werden. Zu den klimatischen Veränderungen kommt die direkte Veränderung durch zusätzlichen Ausbau hinzu.

Der fortwährende Konkurrenzkampf der Skigebiete um noch mehr Liftkapazität und noch mehr künstlicher Wasserauffangbecken am Hang zum Betrieben der Schneekanonen erhöht den Druck auf die Bergregionen weiter. Für die Skipisten im Winter plattgewalzte Hänge sehen grauslich aus, ein Muss für jeden Skifahrenden, sich das mal im Sommer anzusehen. Auch die sommerliche Nutzung durch Scharen von hochgelifteten Massen und die Funktionalisierung durch neue E-Bike Routen ist fragwürdig. Der Verkauf von Berlinern an einer langen Theke auf fast 2000m inmitten einer Alplandschaft ist ein Ausdruck einer ganz auf Kommerz und schnellen Gewinn ausgerichteten Haltung. Generell ist zu hinterfragen, warum Lifte Menschen, die sonst nie auf den Berg gelangen würden hierhin bringen müssen?

Natürlich gibt es auch die anderen. Hütten, die sich bewusst dem Trend zum Aufrüsten entziehen, bzw. entziehen müssen. Eine Besteigung des Triglav war für uns eben mit nur rudimentär waschen verbunden – und das ist gut so. Viele Hütten bieten trotzdem eine hohe Qualität und Nachhaltigkeit zum Beispiel beim Essen wie etwa die Franz-Kostner-Hütte, die Fonda Savio oder auch fast alle Hütten des Karnischen Höhenwegs oder auch Sloweniens, die hier einen anderen Weg versuchen. Hütten, deren HüttenwartInnen mit ihren Teams mit Herzblut dabei waren. Hütten, die die Einfachheit, die zum Wandern gehört, behalten.
Immer mehr Baumaßnahmen führen gerade in den Bergen zu Verlust von Boden. Ganz Cortina war zum Zeitpunkt unserer Wanderung übersät mit Baukränen, vielleicht auch schon als Auswirkung von Olympia 2026. Das Bauen in Andrian mit der Nähe zu Bozen scheint ebenfalls hochlukrativ. Die tatsächlichen Bedürfnisse nach bezahlbarem Wohnraum für die Bevölkerung vor Ort spielen wie bei uns keine Rolle. Zusätzlich werden die in den Bergen geringer zur Verfügung stehenden Flächen auch gezielt zu Spekulationszwecken aufgekauft (siehe Mals). Hierin unterscheidet sich die Situation in den Bergen in nichts von der bei uns in der Ebene, das führt zur Verringerung der Zukunftschancen. In Bozen war der Umgang mit dem Fahrrad zu begrüßen – gleichzeitig aber auch die zwingende Notwendigkeit dazu bei der Staulage und Hitze in der Stadt sehr spürbar.

Es gibt positive Gegenbeispiele: das nachhaltige Modell der Bergsteigerdörfer wie in Jezersko. Oder eben die auf Gemeinwohl ausgerichtete Initiative der BewohnerInnen von Mals, die sich nicht nur gegen den Einsatz von Pestiziden in ihrer Gemeinde (und Luft, und Wasser) stemmt, sondern auch für eine komplett andere, nachhaltige Art des Wirtschaftens arbeitet.

Zurück in Mannheim lese ich in der neuesten Ausgabe von SZENE Alpen, der periodisch erscheinenden Zeitschrift von CIPRA (siehe zu CIPRA auch unter „Mehr Ideen“ auf dieser Seite!). Hier ist übrigens auch der Club Arc Alpine (CAA), der Dachverband aller acht führenden Bergsportverbände des Alpenbogens (also auch der DAV!) Mitglied. Das Heft spricht am besten für sich selbst, wir können nur ermuntern, es als BergliebhaberIn selbst zu abonnieren (ist kostenlos!). Ein sehr guter Abschluss für den 1. Teil unserer Reise ist hieraus vielleicht der Hinweis auf einen Podcast mit Bea Albermann, einer Kinderärztin aus der Schweiz. In den vergangenen Jahren rief sie verschiedene Gesundheits- und Klimagerechtigkeitsinitiativen für eine gesunde Zukunft ins Leben. Im Interview spricht sie
 unter anderem darüber, wie wichtig es ist, andere dazu zu motivieren, ihren politischen Handabdruck zu vergrößern, da Demokratie nicht etwas passiv Gelebtes ist. Sie spricht über die grösste gesellschaftliche Macht, die es gibt. Das ist die der Gleichgültigen, Nichtengagierten, der Nichtaktivisten, der zuschauenden Konsumierenden. Und das riesige hoffnungsvolle Potential, das darin liegt, denn «Die allermeisten Leute haben ja Lust auf Zukunft».

Im Magazin der Deutschen UmweltHilfe lese ich, dass Mannheim nach Ludwigshafen die Stadt mit der höchsten Flächenversiegelung in Deutschland ist. Notwendiges Engagement für die Alpen fängt mit einem besseren Leben hier an, Thema Artenschutz, alles hängt zusammen, dieser Zusammenhang wird immer drängender, aber auch spannender.

Vielen Dank an Dorothee, für die Idee mit dem Blog. An Matthias von Amargo für die auch für Nicht Nerds wie mich handelbare Umsetzung. Danke an meine KollegInnen Ella und Albert für die wiedermal tolle graphische Unterstützung, an Michael für den Tipp mit der klappbaren Tastatur. Danke an alle, die uns etwas erzählt haben, wir hoffen, wir haben alles, vielleicht verkürzt, aber doch richtig wiedergegeben. Über die vielen Kommentare bereits einiger LeserInnen, haben wir uns gefreut, teilweise auch selbstkritisch gelacht! Und Eure Geduld, Euch durch meine (zu) langen Texte zu arbeiten, bewundert. Scusi! Und danke natürlich an meine Scoutin Cilli. Schön, mit Dir unterwegs zu sein! 2025 gehts weiter!

 

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Günter Bergmann

4 Gedanken zu „ZURÜCK Ein Resümee des 1.Teils unserer Alpendurchquerung“

  1. Liebe Cilli, lieber Günter
    Schön, dass ihr wieder wohlbehalten in Mannheim angekommen seid.
    Ich habe euren Blog mit Interesse und Spannung gelesen und dabei Einiges dazu gelernt: Geografisches bzgl eurer Alpendurchquerung, Landschaft, Veränderungen durch Klimawandel , die Aufgeschlossenenheit und Hilfsbereitschaft der Menschen….
    Ganz besonders hat mich eure Fitness und Durchhaltevermögen beeindruckt.
    Cilli krank im Bett…. da habe ich in Gedanken euch zugerufen: Kommt nach Hause!!!
    Aber ihr habt‘ s geschafft …. trotz einiger Widrigkeiten… Toll!!
    Liebe Grüße
    Doris

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  2. Lieber Günther, vielen Dank für die gelungenen und interessanten Berichte und die teils atemberaubenden Fotos. Ich freue mich, dass auch alles mit dem Blog technisch gut geklappt hat und Du die Berichte wohl ohne größere Schwierigkeiten verfassen konntest. Jedenfalls hatte ich keinen einzigen Hilferuf per E-Mail oder Telefon 😉
    Ich wünsche Euch beiden alles Gute, Matthias

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  3. Lieber Günter, danke für Deine tollen Berichte, für die schönen Fotos, fürs gedankliche Mitnehmen. Ich habe mich über jeden einzelnen Text gefreut – und kann alle Deine Beobachtungen und Schlussfolgerungen uneingeschränkt teilen. In allen Gebieten, die Ihr jetzt durchwandert habt, war ich auch schon, teilweise exakt auf Eurer Route. Diesen Sommer habe ich die Westalpen etwas besser kennengelernt (Südostfrankreich) – und dort werdet Ihr definitiv auf weniger Menschen und mehr intakte Natur treffen.
    In diesem Text habe ich mich dem Thema des umweltverträglichen Bergtourismus angenähert, vielleicht ist der ja noch spannend für Dich: https://wandernundschreiben.de/umweltvertraeglicher-bergtourismus-geht-das-ueberhaupt/
    Liebe Grüße von Dorothee

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