29.06 – 01.07. „Eingehtour“ oder Die Steiner Alpen

So jedenfalls hatten wir uns den ersten Wandertag vorgestellt. 12 Kilometer mehr oder weniger flach den Flusslauf der Kamniška Bistrica hoch, dann noch 1200 Höhenmeter bis zur Cojzova Koča, unserer ersten Hütte.

Doch a) war es eben der 1. Tag, b) der Wanderweg entlang des Flusses plötzlich mal durch eine Mure in einem Bach verschüttet, c) war es unglaublich heiß.

So brauchten wir bereits unten, es ging hier lediglich 300Hm hoch, schon 1,5 Stunden länger als geplant. Immer wieder war der Weg weggerissen, mussten wir uns mühselig durch Unterholz oder durchs Flussbett kämpfen. Einmal war der Weg komplett verschüttet, die Seitenwände des Bachs bestanden aus ca. 3m hohem lehmigem Abraum, unmöglich rauszuklettern. Ich versuche über die noch losen Geröllblöcke die steile Rinne runter zum Fluss zum kommen, da ruft es von oben „There is a road here!“ Eine junge Wanderin hatte uns mit ihrem Hund überholt und stand bereits ca. 30m über uns. Wir also auch nach oben, die letzten paar Meter mit viel Stockeinsatz im 35° steilen Lehm. „The road“ erwies sich als aufgegebener alter Waldweg von ca 1,5 Meter Breite. Immerhin, wir konnten eben stehen und der Weg folgte weiter oberhalb dem Fluss. Verschwand jedoch schließlich in einem Dschungel aus Farnen, Brennnesseln und Brombeerranken. Mit ein bisschen Intuition ging es dann doch weiter. Irgendwo im Wald dann eine kleine Gruppe Ehrenamtlicher vom Slowenischen Alpenverein, die uns entgegenkamen und mit Sense, Schaufel und dickem Vorschlaghammer die Sysiphusaufgabe übernommen hatten, den Weg nach den schweren Regenfällen der letzten Wochen wiederherzustellen. Vielen Dank dafür!

Zwei Tage später erzählte uns der Hüttenwirt auf der Kamniska Koča Sedlo, dass ungewöhnlich viel Wasser aus dem warmen Mittelmeer aufgestiegen war, dazu für diese Gegend ein ebenso ungewöhnliches Sturmtief aus den Norden hinterhergekommen war. Das hatte zu den katastrophalen Abgängen geführt. Unten, oberhalb von Kamnik, waren uns die vielen Caterpillars aufgefallen. Der Hüttenwirt meinte, die kurzfristige Strategie sei eben, möglichst viel des Murenmaterials auszubaggern, um damit wieder Platz für anderes Material schaffen. Er sei jetzt 45, ob er es noch erlebe, dass klimapolitisch endlich umgesteuert würde? Sowieso würde das, was jetzt dringend getan werden müßte, sich hier vor Ort erst in 40, 50 Jahren niederschlagen. Später fällt mir dazu ein, daß die Bergbewohner genau wie die Polynesier, deren Inseln verschwinden, einfach zusehen müssen, wie sich ihr Lebensraum verabschiedet.
Ansonsten ist die Kamniška Bistrica natürlich eine Wucht. Das Wasser ist meistens farblos und glasklar bis auf den Grund. An manchen tieferen Stellen wechselt die Farbe in lichtgrün. Kurz bevor wir den Fluss verlassen, kommen wir noch an eindrucksvollen Durchbrüchen im Kalkgestein vorbei, die der Fluss rausgearbeitet hat.

Nachdem wir also unten schon etwas gekämpft haben, brauchten wir dieses Mal auf die 1200 Höhenmeter Anstieg 4 kurze Trink- und Erholpausen. Alles Wasser, das wir tranken kam sofort durch die Haut wieder raus. Zum ersten Mal auch die Rucksäcke solange auf dem Rücken, schön vollgepackt natürlich mit Wasser – beide kamen wir etwas geschlaucht auf der Hütte an.
Es gibt etwas Gutes zu essen und um viertel vor neun fallen wir ins Bett. Das ist auch nötig, steht doch am nächsten Tag die vermutlich schwierigste Passage der ganzen Tour auf dem Programm, weswegen wir die auch alleine ohne TeilnehmerInnen durchführen: eine spannende Überschreitung der wichtigsten Gipfel der Steiner Alpen. Der Grintovec, der höchste Berg(2558m) der Steiner Alpen, ist von der Seite der Cojzova Koca aus der Ausflugsberg der bergbegeisterten Menschen aus Ljubljana. Dementsprechend ist der Andrang. Oben auf dem Gipfel einigermaßen Verblüffung, weil wir als Einzige auf der anderen Seite weitergehen. Noch 6-7 Stunden schwere, einsame, seilversicherte und immer ausgesetzte Wege erwarten uns. Da wir diesen Blogbeitrag schreiben wisst ihr schon: „Et hätt noch immer joht jegange“. Schaut einfach die Bilder, ein toller Weg, wieder was dazugelernt.

Am Ende begleitet uns ein Steinbock. Die Kamniška Koča, die nächste Hütte, fängt uns hinterher wieder auf: das übliche Procedere, dann sind wir schon um halb neun im Bett. Denn heute, am 1.Juli, haben wir den Abstieg, zwei Passsättel und einen Wettlauf mit dem Regen und Gewitter vor uns. Den gewinnen wir einerseits, denn das Gewitter erwischt uns nach 4 Stunden erst im Abstieg. Andererseits gewinnen nicht ganz. Im Starkregen und Hagel, an schlüpfrigen Drahtseilen die letzten 800 Höhenmeter kommen wir doch mehr oder weniger nass in unserer Unterkunft, einem Bauernhof in Jezersko an.
Dusche, leckere Brotzeit, es gibt slowenischen Mokka auf türkische Art. Und in einer halben Stunde gibts Abendessen!!

Avatar-Foto
AutorIn
Günter Bergmann

Schreibe einen Kommentar