10. + 11.. 07. Vom Vršič Pass zum Rifugio Zacchi im Friaul, weiter nach Tarvisio

Gestern sind wir von der tollen Vrsic Hütte und unter vielen „Adios“ an die Hüttenleute losgelaufen. Heute verlassen wir Slowenien! Schade! Tolles Land, tolle Leute! Zunächst wandern wir nochmal 250m in die Höhe. Alle sind inzwischen fit und gut eingelaufen, auch die „Neulinge“ arbeiten gut mit den Stöcken. So überholen wir eigentlich nur – denn alleine ist man hier in dieser an die Dolomiten erinnernde Landschaft nicht. So voll, wie es dort werden wird, ist es hier jedoch längst nicht. An monumentalen Felswänden vorbei, durch Lärchenwälder, steil und manchmal schwierig, volle Konzentration fordernd geht es wieder lange nach unten. Bald sind wir in Dom Tamarju.

Wir nehmen schell einen Kaffee, ich frage den Besitzer nach dem Weg. Er schüttelt den Kopf. Ja, den „Weg“ habe es gegeben, tatsächlich seien letztens noch ein paar Bergsteiger fluchend von oben runtergekommen. Der Grund: bei den letzten schweren Hochwassern hat es den kompletten Hang weggespült. Er zeigt mir die Schuttrinne, die wir von hieraus hoch müssten. Unmöglich mit der Gruppe zu machen. Wir hätten dauernd lose Brocken in der Hand! Schade – damit ist diese Idee gecancelt. Das bedeutet jetzt eine lange Hatscherei um diesen Bergrücken drumherum statt darüber hinweg. Aus 12 Kilometern werden so fast 20! Wir sind ja schon fast unten, dennoch geht es auf breiten Wegen noch tiefer. Schießlich landen wir im Skisprungzentrum von Planica. Ein ganzer Hang voll Schanzen und Seilbahnen. Gegenüber wird das passende Greenwashing dazu geliefert. Ein Foto unterm Adler (oder Kranich? Elwetritsch?), dann schnell weiter. Wir latschen ewig auf dem Alpe Adria Radweg, eigentlich eine ziemlich öde Betonpiste. In 90 Kilometern wäre man übrigens in Ljubljana. Es gibt zunächst keine Alternative. Bei einer Pause direkt an der Grenze Slowenien/ Italien finden wir eine volle Geldbörse – und tun einem GianLuca einen Riesengefallen, indem wir seine Frau Silvana dazu anrufen. Überglücklich nimmt er wenig später sein Täschchen in Empfang, fotografiert uns nochmal und hat daheim eine Geschichte zu erzählen.Endlich kommen wir hier von dem blöden Radbeton runter. Es geht in einen Kiesweg, der uns nach ein paar weiteren Kilometern an die Laghi di Fusini führt. Glasklar und gleichzeitig GrünBlau liegen sie da, die Kleinode sind total geschützt, alles, was schaden könnte ist verboten. Wir umrunden sie teils über kleine weiche Waldwege, hier verläuft der Alpe Adria Trail. Irgendwann kommt ein Schild, nochmal 1,5 Stunden bis zum Rifugio Zacchi (ca. 500 Höhenmeter. Die Schnelleren haben noch Power und wollen ein möglichst zeitnahes Ende des Tages. Zu dritt ziehen wir los und legen nochmal alles rein. Bald wird mir (wieder) klar, dass man nicht einfach 5 Altersklassen im Sport überspringen kann und muss die beiden ziehen lassen. Als Bester (weil einziger?) Ü65 komme ich 7 min nach dem ersten (U35) an. Unsere Frauengruppe braucht auch nur eine Viertelstunde länger. Alle sind glücklich. Wir blicken auf die tollen Wände des Mangart, durch die sich auch spektakuläre Kletter- und Klettersteigrouten ziehen. Es gibt sehr gutes Essen, als Beilage zu meinen Tagliatelle ai Funghi wähle ich interessehalber statt Salat Kartoffelsalat auf Deutsche Art. Wirklich sehr gut, mit Äpfeln, Gurken, Mayo. Beim Essen können wir von der Terrasse aus das kleine rote Bivacco erkennen, das oben auf der Hälfte der Mangartüberschreitung liegt…ein traumhafter Platz zum Essen (sowohl hier unten als wahrscheinlich auch dort oben)! Nach dem Essen schauen wir hinter dem Haus mit dem Personal noch ein bisschen Fußball. Die Jungs fragen uns, ob wir was dagegen haben, wenn sie rauchen. Natürlich nicht, kurz später wird klar, warum sie gefragt haben, es sei ihnen gegönnt! Das Spiel selber plätschert allerdings relativ langweilig dahin, für mich wars zur Halbzeit Zeit fürs Bett. Spannender fand ich die Berichte, als die Jüngeren von diversen Kontaktbörsen im Internet erzählen. Was streckenweise zunächst ganz witzig war, ist im Grunde eigentlich grauenvoll. Es gibt keine Zeit und Gelegenheit mehr jemanden kennenzulernen. Man braucht also eine möglichst gute Selbstdarstellung, die man dann online stellt. Wohl denen, die studiert haben, gut aussehen, sich vor einem teuren Ambiente ablichten lassen können. Was machen die anderen? Die nicht so Hübschen, weniger Begüterten? Wir kennen uns mittlerweile ein bisschen, so dass ich am nächsten Morgen nach dem Frühstück dieses als Thema für den Abstieg provokant in den Raum stelle: dass das ja wohl die totale Ausbeutung durch den Kapitalismus darstelle. Tatsächlich wird die Idee aufgegriffen – allerdings eher so, wie wohl für einen Teilnehmer am Besten so ein Profil zu erstellen sei. Wir steigen wieder den Weg von gestern ab, laufen auf weichen Waldwegen wieder zwischen den wunderbaren Seen durch. Dann müssen wir auf den Alpe Adria Trail, der hier leider parallel mit der Radpiste des Alpe Adria Rad Trails auf schnurgradem Beton verläuft. Erst später steigen wir eine gewundene Teerstrasse zu einem kleinen Weiler auf, biegen hier wieder in den Wald. Cilli führt uns in eine kleine Schlucht hinab, wir finden einen Abstieg runter ans Wasser. Klamotten aus, rein ins Wasser. Der Fluss bietet hier eine kleine Gegenstromanlage- allerdings ein Vergnügen für maximal 10 Sekunden. Schnell raus in die Sonne, auf den heißen Steinen wieder trocknen, was essen. Dann gehts weiter auf verschlungenen Pfaden im Wald (wir haben einen kleinen Verlaufer!) auf dem Kugy Weg, der hier zeitweise parallel zum Alpe Adria Tail verläuftl. Nach knapp 19 Kilometern laufen wir Tarvisio ein und kommen genau bei unserem Hotel heraus. Hier machen wir einen Ruhetag, unsere BegleiterInnen durch die Julischen Alpen reisen – bis auf eine Teilnehmerin, die auch an der nächsten Tour teilnimmt – am nächsten Morgen ab. Abends kommen dann die TeilnehmerInnen für unsere 2. DAV Führungstour, den Karnischen Höhenweg, an.
Für die Statistiker: ingesamt sind wir in der ersten Woche in den Steiner Alpen auf 88,6 Kilometer 6210 m hoch und 5860 m abgestiegen. Die Woche in den Julischen Alpen war 111 Kilometer lang, 5193 m im Aufstieg, 5956 m runter.

 

 

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AutorIn
Günter Bergmann

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