09.07. Von der Koča na Doliču zum Vršičpass

Nach einer zugigen Nacht, einem für slowenische Verhältnisse eher lausigen Frühstück, aber einer freundlichen Verabschiedung durch die junge Crew, verlassen wir die Doliču Hütte. Der Hüttenwirt, der mit einer Axt draußen gerade eine Leitung im Schneefeld verankert, weist dabei auch nochmal charmant grinsend auf die Vorzüge der Hütte hin, etwa die vielen Steinböcke, die man hier sehen kann.

Tatsächlich ist es eine optimale Hütte für einen Zustieg auf den Triglav ohne Klettersteige. Wir machen uns an die langen steilen 1500 Abstiegshöhenmeter nach Trenta. Zunächst müssen ein paar Schneefelder gequert werden; dann folgen wir den spektakulären Serpentinen, die der schmale Weg nach unten nimmt. Kurve um Kurve nehmen wir in dem immer noch wasserlosen Gebiet. Erst fast ganz unten stoßen wir auf einen kleinen Fluss, es ist so heiß, wir so ausgedörrt, wir können nicht anders, als uns abkühlen. Das dauert bei niemand länger als 5 Sekunden, das Schmelzwasser kommt wohl auch unterirdisch irgendwo aus dem Fels – es ist saukalt! Diese Badepause war die letzte von einigen kurzen, mittags kommen wir dann im Dörfchen Trenta an. Hier gibt es ein kleines Park- und Naturkundemuseum, eine große Wiese mit einigen schattenspendenden Bäumen, eine Pizzeria und eine Bushaltestelle. Nach den letzten harten Tagen hatten es die Aufrüher schnell zu einer kleine Volksbewegung innerhalb unserer TeilnehmerInnen geschafft: nein, wir werden nicht in der Hitze aus dem Tal  wieder 800 Höhenmeter zum Vršičpass – unserer nächsten Übernachtung – aufsteigen! Selbst unser junger Triathlonanwärter in spe möchte nicht noch zusätzliche rote Blutkörperchen sammeln. Ich nehme also auch davon Abstand, als einziger (Depp!) den Weg zu Fuß zu machen. Dementsprechend Zeit für uns alle, der Bus kommt um 16.00 Uhr, Bergstiefel aus, Füße ins Gras, Pizzen, Salate, alkohlfreies Bier, Espresso. Dann endlich freie Zeit für uns, um an diesem Blog weiterzuarbeiten. Seit Tagen hatten wir keinerlei WLAN, hängen also mit den Berichten etwas hinterher. Gut, dass sowieso nur Dienstags und Freitags „gesendet“ wird. Pünktlich um 15.59 stehen wir an der Haltestelle. Und wenn er nicht kommt? Er kommt! Ein kleiner blauer ca. 20 Sitzer mit einem coolen slowenischen Busfahrer. Bereits beim nächsten Halt eine Überraschung, eine größere Menschenmenge, die winkt und gestikuliert. Wollen die etwa alle mit? Der Bus ist schon fast voll, unserer Rucksäcke verstopfen bereits den Mittelgang. Nein, es stellt sich heraus, eine junge Rennradlerin des Slowenischen Nationalteams bittet darum, mitgenommen zu werden. Sie hat irgendwie einen Maschinenschaden, kann keinen Antrieb mehr auf Blatt bringen und muß nach oben. Erst ist er ein bischen unwillig, ein Rennrad im Bus, das geht doch nicht. Dann: ok, hopp, sie baut das Vorderrad aus, setzt sich auf den klappbaren Beifahrersitz, hängt die Gabel in seine Ablage am Armaturenbrett. Er lacht, als ein entgegenkommender Bus ungläubig guckt, dreht sich zu uns um und meint voller Stolz, das gibt es nur in Slowenien! Stimmt vielleicht sogar. Rund 30 Minuten kurbelt er uns dann Serpentine um Serpentine nach oben. Der Vršičpass, der höchste befahrbare Gebirgspass Sloweniens, ist wirklich ein super Pass, da kribbelt es die Rennradelnden unter uns. 10-12% und kein Absatz, 50 Kurven, tolle Gegend: ein Träumchen! Am Vršičpass oben steigen wir aus uns laufen noch ca 900 m zur Poštarski Dom Vršič, auch eine Hütte des Slowenischen Alpenvereins. Wir sehen unterwegs auf der Nordwand des Prisank eine Felsformation, die einem weiblichen Gesicht ähnelt: das “Heidnische Mädchen”. Trotz der fehlenden 800 Aufstiegsmeter kommen wir – auch ich – gutgelaunt oben an. Auch hier wieder: absolutes Verbot, den eigenen Schlafsack zu benutzen. Am nächsten Morgen frage ich nach, wieso, etwa Corona Nachwehen? Nein, sie hatten in der Gegend Bettwanzenalarm, deswegen sind jetzt alle Schlafsäle komplett neu saniert, neue Matratzen, die Bettwäsche wird täglich gewechselt…..wow, starker Einsatz! Wir fühlen uns nach dem Duschen jedenfalls total wohl und voller Eindrücke des Tages, und mit dem ersten Laško Zero dann auch gleich wieder hergestellt. Das Essen ist sehr gut, die Leute sind nett. Mir fallen zwei besonders herausgestellte Bilder oberhalb der gesammelten Bergsteigerknoten auf: Josip Tito war wohl Mitte der 50er Jahre einmal für ein paar Tage auf dieser Hütte. Ich frage die Tochter des Pächterpaares danach. Bisher konnte ich immer raushören, dass die Leute mit denen wir gesprochen haben eher Gegner von Tito waren. Sie lacht und ruft ihre Mutter herbei: ja, das sei so, je nachdem mit wem man spricht, die Hälfte der Bevölkerung (unklar ob sie Slowenien oder Ex Jugoslawien meint) findet er sei ein Diktator, die andere Hälfte findet, er habe vieles richtig gemacht, die Lebensverhältnisse seien freier und gerechter gewesen. Dann habe ich noch eine dritte Frage bezüglich des Weges für morgen. Wir müssen erst ein bisschen (ca. 250m) hoch, dann wieder runter zum Weiler Dom Tamarju. Von Dom Tamarju aus gibt es eine spannende Wegbeschreibung, die wir dem Führer „Salzburg-Triest“ siehe Anhang entnommen haben. Eher weglos, steil, aber stark den Weg verkürzend – nochmal eine alpine Herausforderung! Sie kennen den Weg nicht, meinte aber, das könnte gehen! Yippie! Das wäre ja super.

Avatar-Foto
AutorIn
Günter Bergmann

Schreibe einen Kommentar