04.08. Von der Haselgruber Hütte zur Zufallhütte

Die Haselgruber Hütte alias Rifugio Stella Alpina al Lago Corvo ist eine typische italienische, private Hütte. Gemütlich, einfach. Hier kreuzen sich der Ultener Höhenweg aus dem Norden und der Sentiero Italia. Wir haben ein Zimmerchen für uns. Lassen bis zum Abendessen den Tag ausklingen, um halb neun liegen wir schon wieder im Bett. Der Weg zur Zufallhütte verspricht schön, aber wieder heftig zu werden: 8 Stunden ohne Pausen, über 17 Kilometer, 1230m hoch, knapp 1400 herunter. Gleich morgens beim Losgehen haben wir noch einen kleinen Schwatz mit der ehemaligen Betreiberin der Hütte. Seit 54 Jahren ist sie jetzt jeden Sommer auf der Hütte. Heute nicht mehr zum Arbeiten – aber um die BesucherInnen mit ihrer fröhlichen optimistischen Stimmung anzustecken. Sie ist beeindruckt, wie lange wir schon unterwegs sind und was wir als 3 Jahresprojekt vorhaben, beglückwünscht uns dazu und zu unserer Einigkeit „Ihr seid so stark!“ Lachend verabschieden wir uns, glauben das fast selber und wünschen ihr auch noch viel gute Zeit auf „ihrer“ Hütte.

Bereits die nächsten Meter sind ein Traum: Nebelschwaden über den Haselgruber Seen taucht das Ganze in eine surreale Kulisse. Rasch geht es nach oben auf den Gleck mit fast 3000 m üM. Felsig und schattig ist es hier, die Aussicht auf die Gletscher des Ortlermassivs wird durch Wolken getrübt – wir sind wieder im Hochgebirge. Vom Gleck gehts zum Rifugio Dorigoni, der große Andrang zur Mittagspause lässt das Loch in uns plötzlich unermeßlich wachsen –  hurra, wir haben wieder Hunger! Mit etwas Verspätung kommt die Minestrone dann doch, anschließend geht es wieder auf fast 3000m zum Sallentjoch. Drüben auf der anderen Seite erwarten uns erst einige, unproblematische Schneefelder und kleine Eisseen, dann gehts es jetzt insgesamt fast 900m tiefer, alles in technisch schwierigem Gelände. Im Grünen und zwischen Lärchen, Wiesen und Kühen geht es dann immer Richtung Cevedale, die Zufallhütte liegt nochmals 150 schlauchende Höhenmeter höher. Hier haben wir für zwei Nächte reserviert, nochmal etwas Zeit in den Bergen. Denn jetzt liegen noch die Hintergrathütte, die Payerhütte zu Füßen des Ortlers und das StilfserJoch vor uns. Wir nutzen also alle Bergzeit, dies sich uns noch bietet. Und ein jetzt echter Ruhetag passt auch gut, denn der Weg die letzten Tage war – auch infolge unserer Malaise – schon etwas hart.  

Die Zufallhütte liegt ganz am Ende des Martelltals. Eine schöne komfortable Hütte, von Hüttenwirt Uli und seinem netten Team professionell freundlich gemanagt. Die nahen Parkplätze am Zufrittsee lassen tagsüber leicht Tagesgäste nach oben kommen.

Ein Gletscherinfowanderweg, eine Hängebrücke über die wilde Plima, ein kleiner Klettersteig bieten weitere Attraktionen. Ein so freundlich benanntes Badehaus, was eigentlich eine Entlausungsstation für die Soldaten war, ist von der Gemeinde Martell zu einem kleinen interessanten Museum zum 1. Weltkrieg umgewidmet worden. Auf Schautafeln und mit Originalzitaten wird hier auf die Entstehung des Krieges hingewiesen: Bereicherung und Herrschsucht der Königshäuser, Revanchismus und Nationalismus waren die Auslöser des 1. Weltkriegs. Außerdem wird die Zufallhütte unter anderem als Station der E5 Alpenüberquerung genutzt. In Verbindung mit zeit- und kraftsparenden Bustransfers kann man so Blicke auf den Cevedale werfen, die Dolomiten und Arco am Gardasee miteinander koppeln, ohne viel Zeit zu verlieren. Also ein bisschen so wie Paris, Heidelberg und Jungfraujoch für viele Japaner ideale Kombinationen sind. Auf jeden Fall haben wir jede Menge zu schauen und zu lästern.

Morgen geht es über das Madritschjoch zur Hintergrathütte.  

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AutorIn
Günter Bergmann

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