Gestern haben wir in Jezersko übernachtet, dem ersten Bergsteigerdorf Sloweniens, eins von derzeit 40 im ganzen Alpenraum. Was ist mit Bergsteigerdorf gemeint?
Die Alpenschutzkonvention CIPRA hat in Zusammenarbeit mit den Alpenvereinen eine Idee entwickelt:
„40% der Alpengemeinden verzeichnen einen beachtlichen Fremdenverkehr. Der Tourismus ist also eine der Haupteinnahmequellen in den Alpen. Die Hauptattraktionen der Alpen für den Tourismus sind ihre Landschaften und ihr vielfältiges Natur- und Kulturerbe. Zum Schutz dieses Erbes ist ein ausgewogener Ansatz erforderlich, um nachhaltige Tourismusangebote zu entwickeln, bei denen das Erleben und Achten der Umwelt im Vordergrund stehen, sowie um die Nutzung alternativer Mobilitätslösungen zu fördern. Ebenfalls bedarf es neuer Geschäftsmodelle für einen ganzjährigen Tourismus (Rahmenkonvention, Artikel 2, 2i).“
Und weiter: „Die in der Initiative Bergsteigerdörfer vereinten Ortschaften sind Alpinismuspioniere in ihren Regionen. Deshalb haben die Berge und das Bergsteigen im kulturellen Selbstverständnis der Einheimischen und Gäste einen hohen Wert. Hier ist das Bewusstsein über den notwendigen Einklang zwischen Natur und Mensch noch lebendig und man respektiert natürliche Grenzen.“
Weniger ist mehr ist die Devise.
Für die Aufnahme neuer Gemeinden werden strenge Kriterien herangezogen.
- Nähe ohne Respektlosigkeit
- Genuss auf hohem Niveau
- Bewegung aus eigener Kraft
- Anregung ohne Hektik
- Belebtheit ohne Lärm
Die Bergsteigerdörfer setzen sich ganz bewusst für die Umsetzung der Protokolle der Alpenkonvention ein. Die Alpenkonvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, abgeschlossen zwischen den 8 Alpenstaaten und der Europäischen Union, zur nachhaltigen Entwicklung und zum Schutz der Alpen.
Vermutlich, nein ganz bestimmt werden wir bei unserer Durchquerung in bestimmten Gebieten auch leider die gegenteilige Erfahrung machen: Massentourismus und Overload!
Wenn wir mit einer Welt auskommen wollten, dürften auch bei uns in Deutschland nicht bereits im April die zur Verfügung stehenden Ressourcen für dieses Jahr aufgebraucht sein. Die Sinnhaftigkeit der Idee der Bergsteigerdörfer liegt also darin, die Qualität zu spüren, die entsteht, wenn die Natur im Einklang, also als Common oder Gemeingut bewirtschaftet wird. Deswegen freuen wir uns auch schon 2026 auf den Ort Balme, das nächste Bergsteigerdorf, durch das wir durchkommen werden.
Aber bleiben wir zuerst einmal hier in Jezersko. Nach dem Starkregen und dem Hagel im Abstieg sind wir dann noch ein paar Kilometer mit wenig Gefälle durch einen schönen triefenden Wald unterwegs. Wir stoßen seit langem mal wieder auf eine flache Ebene, eine große Wiese, die, wie wir gleich erfahren, zu unserer Unterkunft, dem ersten Haus im Talende gehört. Vor dem Eingang liegt ein großer unfreundlicher, knurrender Berner Sennhund, der auch gleich auf uns losstürmt. Vorsichtshalber machen wir mal garnichts. Die Tür öffnet sich und Valentina Muri, die Besitzerin erlöst uns, bittet uns freundlich herein, zeigt uns unser Zimmer mit Blick auf die Wiese, nach dem Duschen gibt es unten erstmal eine zünftige Jause. Das Heu der sehr große Wiese wurde wohl gestern von morgens bis abends um acht eingefahren.
Valentina ist sehr nett, spricht trotz ihrer gegenteiligen Behauptungen sehr gut deutsch. Die Grundlage, auch viel über Jezersko zu erfahren ist also gelegt. Da sie auch eine Zeit für die Gemeinde gearbeitet hat, weiß sie bestens Bescheid. Auch sie berichtet, daß der Verbund „Bergsteigerdörfer“ gut ist für den Ort. So gibt es in den letzten Jahren wieder mehr Kinder, im Ort kann die Grundschule bis zur 5.Klasse besucht werden, bis zur 8. muß man weiter runter ins Tal, Gymnasien gibt es z.B. in Ljubljana, anderthalb Stunden mit dem Bus. Zwei ihrer Enkel sind bei CIPRA engagiert und waren vor kurzem zu einem internationalen Austauschtreffen in Deutschland.
Nach dem sehr leckeren Abendessen erzählt sie noch ein bischen von ihrer Lebenssituation.
Außer den Kühen im Tal haben sie oben in den Bergen auch ca. 30 Schafe von denen im letzten Jahr allerdings 10 gerissen wurden. Nein, nicht der Wolf. Auch nicht der Bär, von dem schon Spuren ums Haus herum gefunden wurde. Sie lässt uns raten. Uns fällt kein anderes Raubtier ein. Schakal, antwortet sie. Jäger können die Kadaver relativ leicht zuordnen, der Wolf frisst wohl nur das Beste weg. Der Schakal kommt aber immer wieder und frisst weiter.
Am nächsten Morgen bietet Valentina an, uns die 8 Kilometer, die der Wanderweg leider hier auf Asphalt läuft, zu fahren. Sehr dankbar nehmen wir an, die Alternative hätte der Bus sein können, aber es sind gerade Ferien. Wir müssen vor dem Haus eine Viertelstunde warten, ein Baumtransporter wird gerade beladen, kein Durchkommen. Ich nutze die Zeit, die ganz frische plötzlich erwachte Freundschaft zu dem Berner Senn zu vertiefen. Danke für die Zeit in Jezersko!
Ich habe der Mutter die beiden Texte vorgelesen.
Sehr spannend und eindrucksvoll, was ihr in nur 2 Tagen bereits erlebt und erfahren habt.
Unsere Statements:
Von der Mutter:
Ich zünde täglich eine Kerze an, passt auf euch auf!
Von mir:
Ich wäre bei dem Berner Sennenhund geblieben;-)
Ganz liebe Grüße von Mutter und Lilli ❤️❤️